Freitag, 25. Januar 2019

Abbau von Bürgerrechten in Baden Württemberg

Telepolis berichtet:
Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt wird das Polizeigesetz in Baden-Württemberg zur Zeit kontinuierlich verschärft. Nach einer sehr einschneidenden Verschärfung vor gerade einmal 14 Monaten plant der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) nun einen weiteren Abbau von Bürgerrechten.
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Nicht erst mit der geplanten Verschärfung, sondern bereits im momentan geltenden Polizeigesetz liegen die Einsatzschwellen für diverse Maßnahmen, durch die grundlegende Freiheitsrechte außer Kraft gesetzt werden, sehr niedrig. Diese Maßnahmen können praktisch jede*n treffen, da die Polizei zunehmend präventiv, also ohne konkreten Verdacht, tätig wird.
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Im Zuge der letzten Gesetzesänderung wurde beispielsweise die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung (Quellen-TKÜ), häufig auch als Staatstrojaner bezeichnet, eingeführt. Durch das Infizieren von Geräten mit einer staatlichen Schadsoftware kann so die laufende Kommunikation der betreffenden Person - auch in verschlüsselten Chats - überwacht werden. Dies ist bereits präventiv, also allein aufgrund des Verdachts, eine Person könnte in der Zukunft eventuell eine schwere Straftat3 begehen, möglich. Der Staatstrojaner wird durch die Ausnutzung einer Software-Schwachstelle auf die betreffenden Geräte gespielt. 
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Auch im Zusammenhang mit Demonstrationen sollen die rechtlichen Spielräume für umfassende Personenkontrollen erweitert werden.
De facto kontrolliert die Polizei bereits jetzt schon häufiger im Vorfeld von Demonstrationen. Dies ist nach gängiger Rechtsprechung jedoch eigentlich nicht erlaubt, da Vorkontrollen einschüchternd auf die Demonstrierenden wirken und diese vom Demonstrieren abhalten könnten - ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Mit dem neuen Gesetz soll die bereits gängige illegale Praxis der Polizei nun legalisiert werden. Protest wird dadurch weiter kriminalisiert.
Presseberichten zufolge steht auch die DNA-Untersuchung zu präventiven Zwecken im Gesetzesentwurf. Zur Verhütung von Straftaten oder zum Schutz hochrangiger Rechtsgüter soll es künftig präventiv, also noch vor der Begehung einer Straftat, möglich sein, "das DNA-Identifizierungsmuster ('genetischer Fingerabdruck'), das Geschlecht, die Farbe von Augen, Haaren und Haut, das Alter sowie die biogeografische Herkunft" Verdächtiger zu erfassen. 
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Die "Lösung" dieses Problems sieht Innenminister Strobl darin, einfach das Gesetz zu ändern und anstelle der Quellen-TKÜ die sogenannte Onlinedurchsuchung einzuführen: In diesem Fall dürften Polizei und Verfassungsschutz alle auf dem Gerät gespeicherten Daten wie Kontakte, Bilder, Kalendereinträge, Kommunikation aus der Vergangenheit, Inhalte von Apps, Browserverläufe, GPS-Daten oder Passwörter auslesen. Ja, womöglich könnten sogar Kamera und Mikrofon an- und ausgeschaltet werden und das betreffende Gerät als eine Art Wanze, die die überwachte Person stets mit sich trägt, verwendet werden. All dies wohlgemerkt präventiv - also noch bevor jemals eine Straftat durch die überwachte Person begangen wurde. Ein bloßer Verdacht würde für diesen schweren Eingriff in die Privatsphäre ausreichen.
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Innenminister Strobl will der Polizei hier jedoch noch weitergehende Befugnisse einräumen. So sollen der Stuttgarter Zeitung zufolge die Bedingungen für die Inhaftierung gelockert werden und gleichzeitig eine Art Unendlichkeitshaft wie im bayerischen Polizeiaufgabengesetz eingeführt werden. Statt der bislang geltenden Höchstdauer von zwei Wochen soll die Frist künftig drei Monate betragen und diese dreimonatige Haft soll dann - so der Gesetzesentwurf - unendlich oft um weitere drei Monate verlängerbar sein. Auf diese Weise könnte eine Person ohne Urteil auf Dauer festgehalten werden - ohne jemals eine Straftat begangen zu haben. Assoziationen zur Schutzhaft im Nationalsozialismus sind an dieser Stelle naheliegend.
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Der Abbau von Freiheitsrechten, der hier vorangetrieben wird, kann potenziell alle treffen. Entgegen aller Beteuerungen der Landesregierung, das Gesetz richte sich gegen Terrorismus, werden die Verschärfungen zunächst vor allem Migrant*innen, Linke, Antiautoritäre, und Fußballfans treffen. Diese gesellschaftlichen Gruppen haben bereits die letzte Änderung des Polizeigesetzes verschlafen. Nun bietet sich leider eine neue Chance, gegen einen zunehmend autoritären Staat und eine militarisierte Polizei aufzubegehren, die neuen Verschärfungen zu verhindern und die Rücknahme der bereits in Kraft getretenen Verschärfungen zu fordern.